[Metalab] Europawahl 2009: Heute waehlen gehen

Andreas Stern astern4metalab at singakademie.at
Mon Jun 8 23:09:06 CEST 2009


hi Astrid,

das Begutachtungsverfahren scheint eine Konstante in Deiner 
Politikerfahrung zu sein - wieviele einschneidende Gesetzte werden aber 
ohne ein solches beschlossen?

Wie viele Begutachtungsverfahren sind extrem verkürzt?
Wieviele Stellungnahmen werden einfach ignoriert?

Wieviele Politiker arbeiten sich in die Materie ein, über die sie 
abstimmen?

Und in diesem Kontext: warum gibts dann den Klubzwang der nur 
ausnahmsweise aufgehoben wird?

Kannst Du Dich vielleicht noch an die Beschlussfassung über dieses 
unselige Asylgesetz erinnern ( übrigens mit Stimmen der SPÖ 
beschlossen ) wo im Nachhinein der Cap gemeint hat, dass sie sich diese 
fatalen Auswirkungen nicht überlegt haben. Kann/Soll man solchen Menschen 
noch trauen?

Immerhin hat die Bestimmung, dass der Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung 
nur von ausserhalb gestellt werden kann, nicht nur einen Menschen das 
Leben gekostet - überspitzt könnte kann man sagen, da hat das Parlament 
ein tödliches Gesetz beschlossen.

Weiter Beispiele:

ÖH Gesetz - die bundesweite Vertretung wird nicht mehr direkt gewählt
der Zentralausschuss wurde zugunsten den Vorsitzendenkonferenz 
abgeschafft.

ALVG - sind die Meinungen der Arbeitslosen zu den verschärften 
Zumutbarkeitsbestimmungen ins Gesetzt eingeflossen?

Arbeitszeitgesetz - die maximal erlaubte Tageshöchstarbeitszeit wurde 
einfach so erhöht - hat sich die Leistungsfähigkeit der arbeitenden 
Bevölkerung entsprechend erhöht? Glaubst Du, dass die 
Arbeitnehmervertretung das auch für gut gehalten hat?

Ja, ich war auch ein paar Jahre politisch tätig - und sehe es als großes 
persönliches Glück, dass beide Gruppierungen, in denen ich tätig war, 
heute nicht mehr existieren:

Gegen Studentenvertreterinteressen für Studenteninteressenvertretung - ein 
nicht ganz leicht lesbarer und auch nicht gleich verständlicher Slogan, 
der vielleicht einen kleinen Teil der Problematik auf den Punkt bringt.
Die Interessen der Vertretenen sind nun einmal andere als die jener, die 
sie vertreten...

Das war österreichweit der erste Versuch, gegen das damals beinahe 
allmächtiges Schwarz/Braun/Rot in der Studentenvertretung ( und Schwarz 
hiess damals ausschliesslich CV ) ein Gegengewicht zu bilden (ist schon 
ein paar Jahrzehnte her).

Immerhin gelang es, den CV aus der Studentenvertretung zu drängen ( 
zumindest an dieser einen Uni ), und -viel wichtiger noch - zu zeigen, 
dass Studentenvertretung auch ohne Mutterpartei machbar ist - eine für die 
Gründung der Fachschaftliste unschätzbar wertvolle Erfahrung, denn wie wir 
alle wissen, müssen ja die Änderungen zuerst in den Köpfen passieren...

Natürlich gehts um Expertise, viel mehr gehts allerdings um Macht und 
Einfluss. Was wurde nicht schon alles zum Thema Grundgehalt publiziert!

Abendfüllende Filme kannst du Dir herunterladen - dennoch in der 
Krisenbewältigungsdiskussion kommt das Thema nicht vor - aber ich schweife 
ab.

Nein, es sind nicht PolitikerInnen anstelle der Drogendealer - aber 
erinnere dich an den Satz mit dem Regal das im Selbstbedienungsladen 
abmontiert wurde - in der Diskussion um den Selbstbedienungsladen - und 
der kam von einem Politiker. Es dürft also schon ein bissi was dran sein 
an den Privilegien für Politiker:
Schau doch nach Gross Britannien - wär so was in Österreich möglich?
Erinner Dich an die wahlkampfbedingten Missachtungend der persönlichen 
Grundrechte durch Politiker ( die haben damals mehrfach schützenswerte 
personenbezogene Daten veröffentlicht, weils ihnen ins Konzept gepasst 
hat). Kannst Du dich erinnern, dass sie dafür bestraft worden sind?

Ja und auch einige meiner Bekannten sind Politiker - ich möchte nicht mit 
einem von ihnen tauschen. NN z.B. (Initialen geändert ) hat jetzt keine 
Zeit mehr zum Saxophon spielen- er muss sich beinahe rund um die Uhr in 
irgendwelchen Sektionen blicken lassen und Gesichtsbaden. Und natürlich 
bringt er was weiter (glaub ich zumindest). Ich Glaub nicht, dass er 
Privilegien geniesst.

Ich würde Diskussion und Abstimmung nicht mit kleinen und großen Gruppen 
korrelieren.

Eine Abstimmung zu verlangen ist ein gutes Mittel, den eingenen Standpunkt 
durchzusetzen, wenn man weiss dass ihn die Mehrheit der Gruppe teilt.

Mit einer ausgedehnten Diskussion kann man das sogar erreichen, wenn man 
keine Mehrheit in der Gruppe hinter sich hat, allerdings klar ist, dass 
die Zeit zur Entscheidungsfindung nur begrenzt ist, oder?

Das Ohnmachtsgefühl und die Politikverdrossenheit des Einzelnen resultiert 
wahrscheinlich aus den unüberschaubar komplexen Strukturen - "Es ist alles 
sehr kompliziert" hat schon der arme Freddi gesagt - wenn du Dich noch 
erinnerst, und er wurde damals ziemlich verlacht. Leider ist es seither 
nicht einfacher geworden.

Was mir an Marius Idee so gut gefällt ist die Aussage: Ich tu jetzt mal 
was!

Ich lese seine Mail eher dem Gedanken nach:

Es geht um Enscheidugsfindung, Mobilisierung, Information mit Hilfe 
zeitgemässer Medien - gerüchterweise hat da einer jeseits des großen 
Teiches gerade vorgeführt, wie so etwas funktionieren kann.

MbMn kann ein 
jeder-Wahlberechtigte-stimmt-zu-jedem-Thema-ab
  nur bedingt zur Entscheidungsfindung herangezogen werden - bei den 
unzähligen Dingen, die zu entscheiden wären, hätte kaum ein Stimmbürger 
die Zeit, sich um alles zu kümmern.

Und: ja, das Ganze ist nicht nur eine Menge sodern unheimlich viel Arbeit.

Aber von der Piratenpartei wirst Du ja schon gehört haben, die habens 
wenigstens einmal versucht...

liebe Grüße
A.

On Mon, 8 Jun 2009, Astrid Gruber wrote:

> Hi
>
> marius schebella schrieb:
>> wieso soll es in einer direkten demokratie keine minderheitenrechte
>> geben? haben wir unsere minderheitenrechte nicht gerade wegen der
>> demokratie?
>
> Wegen der Demokratie: ja. Wegen
> jeder-Wahlberechtigte-stimmt-zu-einem-Thema-ab nein.
>
>> politikern hingegen geht es um macht, ihr persönliches ego und sie
>> lassen sich von interessensvertretungen kaufen.
>
> C. hat mich gefragt: wieso diskutierst du das da ueberhaupt?
> Legen wir mal Motive offen:
> ich war ein paar Jahre politisch taetig. Der Bruder meiner Grossmutter
> war Buergermeister. Mein frueherer Schwiegervater ist politisch taetig.
> Eine Studienkollegin und eine Freundin sind politisch taetig. Es
> begeistert mich nicht dann sowas wie diese Deine Zeilen zu lesen. A la:
> Alle Schwarzen sind Drogendealer. Nur sind es jetzt halt Politiker und
> Politikerinnen.
> Was Dein Motiv ist so zu schreiben wie Du schreibst weiss ich natuerlich
> ned.
>
>>> Dazu haben wir gewaehlte Vertreterinnen und Vertreter: weil Du allein
>>> nicht alles wissen kannst, und die Mehrheit schon gar nicht ueber
>>> Expertise verfuegt.
>>
>> und du sagst du wirklich, leute sind dumm,
>
> nein. es ist ein Unterschied zwischen dumm und unkundig. Expertise ist
> etwas was man nicht durch Lesen von ein paar Artikeln erwirbt, vor allem
> bei komplexen Zusammenhaengen. Das braucht Zeit, man muss sich in
> Materie einarbeiten.
>
>> mir geht es darum, mechanismen auszuschaltet, in denen sich einige
>> wenige auf kosten vieler bereichern können. es ist halt viel einfacher
>> ein paar politiker einzuwickeln, also mio österreicher (glaube ich
>> zumindest).
>
> Da bin ich anderer Meinung - aber ja, wir einigen uns glaub ich gerne
> auf gute Kontrollstrukturen und Transparenz.
>
>> davon abgesehen geht es mir (ich glaube ähnlich wie dir?)
>> darum, leuten bewusster zu machen, dass sie entscheidungen selbst
>> treffen können/müssen und niemanden anderen vorschieben und
>> verantwortlich machen können/müssen.
>
> Ich lese ein Motiv.
> Wir teilen dieses Motiv. Nur sage ich genau das im jetzigen System. Man
> kann wirklich sehr viel erreichen wenn man sich engagiert. Jetzt, so
> wie's ist. Der Spindelegger ist ja nicht Aussenminister geworden weil
> ihn alle so super finden sondern weil es so wenig Nachwuchs gibt.
>
> Es gibt parlamentarische Enquetten, es gibt die Begutachtungsverfahren,
> es gibt Medien, es gibt Volksbegehren, ...
> das Drama ist imho dass viele es nicht sehen und in Ohnmacht verharren.
>
>>> Direkte Mehrheitsabstimmungen zu komplexen Thematiken sind katastrophal
>>> weil sie den Diskussionsprozess, das Verhandeln, das Ringen um eine
>>> Loesung, umgehen und statt dessen die augenblickliche Stimmung
>>> widerspiegeln. Weil sie Minderheiten ueberstimmen. Weil ... (continue on
>>> your own)
>>
>> ehrlich gesagt, weiß ich nicht, auf was du dabei anpielst, mir fallen
>> keine beispiele ein in denen demokratische entscheidungen zu einer
>> katastrophe geführt haben?
>
> Der Anschluss (auch wenn Du die erzwungenen Stimmen dabei abziehst)
> diverse Bundesstaaten in den USA wo es keine eingetragenen
> gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt wegen Verfassungsabstimmungen
> Schweiz und Asylrechtsverschaerfungen
> Was wuerde herauskommen wenn man in Kaernten ueber die zweisprachigen
> Orttafeln abstimmen wuerde?
>
> Das System in dem jeder zu jedem Thema abstimmt funktioniert vielleicht
> (!) in kleinen, ueberschaubaren Gruppen statischer Groesse bei einem
> eingeschraenkten Themenkreis auf den sich die Gruppe spezialisiert hat.
>
> Ja, klar, auch bei unserem jetzigen System ist nicht garantiert dass die
> Politikerinnen und Politiker sich selbst umfassend in eine Materie
> einarbeiten. Aber zumindest besteht die Moeglichkeit. Dass ich mich ins
> Steuerrecht soweit einarbeite dass ich dazu alle Einzelgesetze
> entscheiden koennte, und du auch, und alle Leute die wir heute in der
> U-Bahn treffen - das geht schlicht ressourcenmaessig nicht.
>
> Will quit, have to go to work
>
> Astrid
>
>
>
>
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