[Metalab] Über das Patentunwesen (was Re: Sir Tony Hoare, Erfinder des Quicksort @ TUWIEN)

Bernd Petrovitsch bernd at firmix.at
Fri Nov 16 00:14:54 CET 2007


On Mit, 2007-11-14 at 19:48 -0500, marius schebella wrote: 
> Bernd Petrovitsch wrote:
> 
> > BTW ist der Erfinder jene Person, der tatsächlich die Idee gehabt, 
> 
> auch ideen sind nicht patentierbar (genausowenig wie algorithmen) 
> lediglich erfindungen, d.h. technische verfahren.

Ja, das steht in der "Krone".
Tatsächlich geht es primär um den Schutz der *Idee*.
Der Deal is^Wwar: Du veröffentlichst deine Idee, damit sie andere in
Folge nützen können (und darauf aufbauen). Dafür bekommst du
Monopol-Rechte auf das erste "Produkt" basierend auf der Idee (das wird
in den/über die Ansprüchen/Claims des erteilten Patents geregelt) - um
einen wirtschaftlichen Anreiz zu bieten, die *Idee* zu veröffentlichen.
Ansonsten würde ich ja besser fahren, nur das Produkt auf den Markt zu
bringen und den Rest (möglichst) geheim zu halten.
Im Maschinenbau u.U. mag das sogar Sinn machen. Da genügt es nicht, eine
gute Idee zu haben, sondern es braucht idR sowas wie einen Prototyp, der
die Umsetzbarkeit der Idee nachweist. Realistischerweise kann man auch
mehrere brauchen, weil die früheren kaputt gehen udn auch nicht
wiederverwendbar sind.
Und sobald Physik und Naturkräfte im Spiel sind, ist das nicht mehr so
einfach, weil z.B. nur weil ein Träger (ehal welchen Materials) doppelt
so dick ist, muß er nicht doppelt soviel aushalten. Und er verhält sich
bei Schwingungen anders. Und er hat ein anderes Gewicht. Und
physikalische Dinge haben auch die unguten Eigenschaft, daß sie bei -10°
sich auch anders verhalten wie bei +35°.

Schließlich mußt Du ja auch den Patenprüfer überzeugen, daß deine Idee
umsetzbar ist (das ist BTW auch eine notwendige Voraussetzung für die
Patentierbarkeit. Deshalb wäre das Perpetuum Mobile  nicht patentierbar,
weil es nicht umsetzbar ist). Deshalb muß man da auch Zeichnungen etc.
beibringen, die erklären, *wie* das funktioniert.

In der Mathematik/Software "als solcher" schaut es ja heutzutage doch
wesentlich anders aus:
- Patente verwenden eine eigene Sprache (engl. "Patentquak", könnte
  man mit  "Patentsprech" übersetzen) - tja, da spielen leider auch
  Juristen mit - und sind damit für den "Fachmann auf dem Gebiet" nicht
  mehr verständlich. Damit stelle ich erstmal in Abrede, daß eine Patent
  heutzutage veröffentlicht als solches (pun intended) wird - zumindest
  mbMn nicht sinnvoll und/oder zweckmäßig.
- Prototypen sind nach dem 1. Testlauf nicht potentiell kaputt.
- Eine "while" Schleife vibriert nicht anders oder läuft nicht massiv
  anders ab, nur weil es 3 Zeilen Code drin sind statt nur einer.
- Software ist auch temparaturabhängig.
Dazu hat sich (leider) eingebürgert, daß man keine konkrete Umsetzung
der Lösung im Patent beschreiben muß (lies: Sourcecode und Design-Doku
rein, die beide das "wie" beschreiben und wo man vielleicht noch was
draus lernen könnte), sondern lediglich eine abstrakte Beschreibung der
Lösung - *was* wurde gelöst - geschützt wird (in den Ansprüchen/Claims).
Als Folge ist nicht nur das "wie" aus meiner Prototyp-Implementierung
geschützt (Wie denn auch? Das ist im Patent gar nicht zu finden),
sondern *alle* möglichen Implementierungen (lies: Lösungen des
Problems). Freier formuliert ist damit faktisch das Problem als solches
patentiert.

Dazu kommt, daß die Umsetzung beim ÖPA (und vermutlich auch EPO sowie
USPTO und JPO) z.B. auch in die Richtung "maximale Patentierung"
getrieben wird. Z.B. muß der Patenprüfer ellenlang beschreiben, warum
was nicht patentierbar ist. Wenn er es akzeptiert, hat er viel weniger
Aufwand damit.
Im Internet als solchen wird praktisch gar nicht recherchiert.

Um die weltweite Situation zu beleuchten: Im Moment müssen alle in
EPO-Land gültigen Patenter beim EPO oder einem der nationalen PAs
(erfolgreich) geprüft werden. Wenn man IN USA, EU und Japan eine PAtent
anmelden will, muß man es 3-mal prüfen lassen, nach 3 verschiedenen
Vorschriften mit den 3-fachen Kosten (Milchmädchen-mäßig gerechnet).

Deshalb gibt es seit längerem http://www.trilateral.org/. Das will die
Patengesetzgebung und -prüfung der 3 großen Patenämter (USPTO, JPO, EPO)
so harmonisieren, daß die Patenerteilung bei einem PA automatisch auch
Patentierbarkeit bei den anderen impliziert und man es dort nur noch
anmelden und- natürlich - bezahlen muß.

Was würde in EPO-Land passieren, wenn das so wäre?
-zig Tausende beim USPTO (und JPO - has spielt schon nach der gleichen
Geige wie das USPTO) längst akzeptierte Software- und Business-Patente
wären in EPO-Land einfach anmeldbar und durchsetzbar.

[ BTW hat es schon einmal den Versuch gegeben §52(c) aus der EPC
ersatzlos zu streichen. Das ist GsD damals abgelehnt worden.
BTW kann sich der Interessierte auch §53(b)
http://www.european-patent-office.org/legal/epc/d/ar53.html reinziehen
und über die Patentierung im Pharma- und Biologiebereich nachdenken. ]

Das ist schon deswegen ein Problem, weil in USPTO-Land Patentprozesse
auch mit der Vernichtung des Patents enden können. Deshalb sind dort
auch Patente, die nicht den 1. Patenprozeß überlebt haben, wenig Wert.

In EPO-Land hat ja ein "Amt" geprüft und (juristisch) einen Bescheid
ausgestellt. Der wird mWn seltenst zurückgenommen bzw. von einem Gericht
einfach entsorgt. Die Kompromies-Lösung bei einem Prozeß ist hier, daß
für diesen einen Fall das Patent nicht anwendbar ist -
Win-Win-Win-Situation der Beteiligten.

Das ist weiters ein Problem, weil es nicht unüblich ist, das
Prozeßrisiko auch auf den Anwalt abzuwerfen. Mit einem starken, guten
Patent werd' ich auch als "kleiner Erfinder" bzw. KMU einen Anwalt
finden, der für 60% der Prozeßsumme den Prozeß führt und gewinnt. Und es
gibt noch die eine oder andere Retaliation-Klausel, daß wenn
$GROSSE_FIRMA ein Klage gegen $KLEINE_FIRMA verliert, das noch extra
nennenswerten Schadenersatz von $GROSSE_FIRMA an $KLEINE_FIRMA bedeuten
kann. Kurz: Auch ein Kläger mit wirklich viel Geld hat wirklich viel zu
verlieren.

In EPO-Land läuft das auch ganz anders. Für $GROSSE_FIRMA geht es im
wesentlichen nur ums im Prozeß eingesetzte Geld. Als GmbH mit 35.000€
(Mindest)einlage werd' ich nicht viel und lang prozessieren können (und
nebenbei noch Geld verdienen) und die Qualität des Patents des Klägers
ist im Prinzip irrelevant. Und es gibt noch viel mehr noch kleinere
Unternehmen .....

> > Die Software-Paten-Debatte hat überhaupt nichts mit "open-source vs
> > proprietär" zu tun. Das ist BTW auch FUD und Irreführung gewisser Kreise
> > (weil was tut man nicht alles .....).
> 
> und da sind wir noch lange nicht bei copyright law...

Ja, Urheberrecht/Copyright ist ein andere Sache.
Das hängt nur in zusammen, daß die Patenfraktion - auch aus dem ÖPA! -
mit "wir müssen Software schützen" angetanzt gekommen ist. Und dann
haben sie erst von den "Programmiereren" erfahren müssen[0], daß das eh
kein Programmierer wirklich braucht, weil es das Urheberrecht eh schon
längst gibt und gegen alles schützt, was einen (kommerziell) stören
könnte.
Tja, das Urheberrecht ist das - in .at - im Justizressort angelagert und
nicht im BMWA/BMVIT, wo das ÖPA dazugehört. Auch bei Juristen gibt es
Spezialisierung ....

	Bernd

[0]: <aetz>Da kommen Techniker daher, die Karrierebeamten über Gesetz
     aufklären müssen.</aetz>
-- 
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