[Metalab] Aufforderung zur Selbstbeschränkung

eSeL esel at esel.at
Sat Apr 22 16:11:13 CEST 2006


liebes metalab,

ich war beim backbone voting dabei, ich war beim gametheory treffen
dabei. ich verstehe (und verabscheue) die mängel des systems, und ich
verstehe auch SEHR gut Eure motivation, die schwächen des mana-games
maximal zu nutzen, bzw. im sinne der geltenden managame-spielregeln
"fair" zu spielen.

DIESE definintion von "fair" gilt jedoch NICHT für jene spielregeln,
die im real life und in der gesamtheit der netzkulturen gelten sollten...

esel und viele andere haben uns mit unsere skills und kontakten SEHR
dafür eingesetzt, dass der topf für "neue Medien" erweitert wird,
finanziell und auch inhaltlich. sprich: das das geld NICHT MEHR nur
uns zu gute kommt. (ich glaube das validierungsgremium denkt ähnlich)

d.h. diejenigen, die aufgrund kontinuierlicher qualitätsvoller arbeit
(aber auch weil es zum ökonomischen aspekt des überlebens für den
24h-"job" dazugehört, ausreichend schnittstellen zu fördergeber stadt
geschaffen haben), haben diese schnittstellen unbezahlt für andere
geöffnet.

grund: weil dahinter die wichtige frage steht, ob die strategien,
techniken, kollektive arbeitsweisen, haltung zu verwertungsoekonomien
bzw. der ethos der netzkulturarbeit genauer betrachtet nicht weitaus
mehr "symbolische relevanz" hat, alsjene dinge die als konventionelle
"kunst" symbolische relevanz erhalten.

diese frage hat zumindest mich motiviert, mehr leuten - künstlerInnen
aber auch solchen die sich weigern würden, als solche bezeichnet zu
werden - die option auf kohle zu verschaffen.

Es ist mit netznetz schon MASSIV gelungen, den fokus der
aufmerksamkeit zu erweitern, ja: dessen zentrum auch massiv in Eure
Richtung zu verschieben, weil viele viele künstlerInnen im
konventionellen sinn sich dafür eingesetzt haben.

diesen blick über den eigenen tellerrand fordere ich nun auch von  Euch!

denn die frage nach "einzig richtiger kunst" kann und darf nicht
eindeutig beantwortet werden. jedeR für sich wird seine/ihre
Überzeugungen, arbeitsweisen und qualitätsparameter haben.
Daher hat thomas thurner auch ursprünglich die 5 module entworfen.

nun stehen wir vor der situation, dass Ihr - ich sags jetzt mal direkt
- auch den community-grants pot abzocken wollt und werdet, und
wenigstens so ehrlich seid, und es vorher offen kommuniziert - aber
das reicht nicht.

"einzelkünstler/innen", also jene: die das fulltime machen und leider
(insbsonders: mit steigender relevanz, qualität oder nutzen für
andere) aufgrund ihrer eigenen netzkunst-orchideenrolle im kunstfeld
kaum und zeitbedingt auch via nebenjob wenig zusätzlichen
einkommensmöglichkeiten haben, werden mit grösster wahrscheinlichkeit,
- die durch bandbusse noch maximiert wird! - NULL bekommen.

diejenigen EinzelkämpferInnen, die sich in der Not vielleicht zu
bandbussen zusammenkarren müssen (das wie ich aber gar nicht wollen!),
müssen das geld unter einander teilen und haben die chance auf maximal
je 1000 - 2000 euro. ja, sie werden projekte miteinander durchführen,
aber für dieses spezies netzkünstlerInnen ist das wichtiste leider:
honorar. und das ist nicht mal microgrant und dafür einfach zu wenig.

und auch die aktuelle formulierung von paul boehm geld zu holen, "um
projekte im metalab realisieren zu können" kann diesen grundlegenden
unterschied nicht wegmachen.

die notwendigkeit von HONORAREN ist einer der grossen unterschiede zu
zB metalab-magierInnen, die ihr mana-geld wohl eher in gemeinsames
projekt/infrastruktur stecken würden. (und das daher auch sicher
sinnvoller finden, als in "honorare" verschwinden zu lassen)

ich weiss auch, dass nicht nur die eingangstür teuer ist und unendlich
viel kohle in das metalab (oder darin zu verwirklichende projekte)
fliessen könnte und wohl auch sollte. und das wird sie auch in
zukunft. warum?

weil mit der MASSIVEN erweiterung des geldtopfes ist erst ein
minimaler anfang gemacht wurde. und weil - wurscht, was man gegen
netznetz alles an berechtiger kritik äussern kann - jetzt eine
SICHTBARKEIT für die grösse und potentiale dieser heterogenen szene
gemeinsam hergestellt wurde.

und es wird in zukunft viel viel mehr geld brauchen, und auch
fliessen, weil ich gelernt habe, dass politik derlei potentiale eben
nicht mehr übersehen kann (fürchtet?) - und entsprechend darauf
reagiert. das betrifft vor allem deutlich sichtbare orte der
konstituierung wie das metalab einer ist.

wenn nach dieser wahl jedoch die gesamte netzkulturszene Streit und
Hass ausbricht und das schuldzuweisungsspiel beginnt, dann wird diese
Sichtbarkeit überlagert werden. und diejenigen, die selbstorganisation
hierachisch verstehen, fühlen sich nur bestätigt und reiben sich
freudig die hände.


bei derlei streit und dissonanz sich die generelle fördersituation
auch für Euch wohl kaum verbessern wird (zB backlash zu gunsten
"weniger technik" geben - ja, ich sag das so unfair überspitzt, weil
zB jurys andere kriterien insbes. der vorselektion anwenden!) und c)
weil einzelkünstler wie ich mit 1-2k förderung einfach nicht mehr ihre
arbeit machen können. punkt.

und ich weiss wohl, dass meine arbeit und die arbeit vieler vieler,
die leer ausgehen werden auch Euch zugte gekommen ist, weil ich es als
meine soziale technik verstehe schnittstellen herstellen und
communities zu pflegen und öffentlich auf jene zu wirken, die NICHT
nur in die netzkulturen-szenen werken, sondern in andere disziplinen
und externe öffentlichkeiten.

ja, ihr könnt jetzt ganz viele vorwürfe über mängel von netznetz , mir
whoever, loswerden. sich aber trotzdem nur die "rosinen" (sprich: die
kohle) aus netznetz rauspicken finde ich ist einfach zu wenig.

die "network grants" sollen sehr wohl auch einzelkünstlerinnen zu gute
kommen. und auch wenn Ihr Euch alle berechtigt als solche seht, ist es
zeit - ich wiederhole mich - über den eigenen tellerrand hinaus zu
schauen. schon allein deswegn weil es für Euch vielleicht NICHT ums
Überleben geht.

aber vergesst nicht: so heterogen Ihr selbst Euch auch zusammensetzt,
Ihr seid - insbesonders durch die Absprache - EINE community von
VIELEN communities, die mitunter durch das wirken von besagten
EINZELmenschen zu Stande kommen, die sich nächste woche vielleicht
eine letzte geldquelle selbstverschuldet abgedreht haben.

"monochrom" (das wurde zumindest am freitag wiederholt geäussert)
hätten auch einen bandbus und daher sei man ja quasi gezwungen usw....
- ja, ich höre Eure viele (gegen)argumente im ohr, ich würde mich
durch mein mail auch missverstanden, beleidigt und vielleicht sogar
bevormundet fühlen. besonders weil ich ohnehin weiss wie sehr auch
Euch diese moralische  aspekt auch Euch beim gametheory meeting
beschäftigt hat.

ich auch in Kauf, dass ich jetzt auf diverse arten geflamt,
missverstanden, verlacht werde -  besonders fatal vor dem voting...
aber es reicht nicht, dass netzkünstlerInnen mehr oder minder offziell
die option haben und hatten hinzukommen und auch Eure Wissen
anzueignen und anzuwenden, weil - siehe oben - es da um eine andere
überlebensgrundlage und zu wenig geld geht.

ich verstehe völlig, dass es für einen mathematisch denkenden geist
absurd wäre, nicht vorzukalkulieren ab wieviel stimmen, die stimmen
(zB wegen obergrenze) verschenkt wären - und ich fordere Euch daher
umso mehr auf, bei Eurem morgigen akkordierungs-treffen freiwillig auf
eine KLARE und MASSIVE SELBST-BESCHRÄNKUNG zu einigen, wie viel Ihr
bei dem Spiel maximal abzocken wollt und werdet.

so wenig Ihr vielleicht von deren qualität anderer künstlerInnen
überzeugt seid, lasst ihnen wenigstens die möglichkeit nach ihre
eigenen qualitätskriterien werten zu können - nicht nur nach Euren.

lasst den künstlerInnen das spiel durachaus ein spiel sein (der wunsch
und bedürfnis danach schreit aus fast jedem verzweifelten posting auf
mana-netznetz-listE) und vielleicht auch aus meinem mail, deswegen
schicke ich es jetzt ab.


danke für die aufmerksamkeit,
eSeL

Paul Boehm wrote:
> Hallo,
> 
> Ein paar von uns treffen sich am Montag um 16.00 im Metalab
> (Rathausstrasse 6), um anschließend, mit Reisepass*, knappe 100m am
> Rathaus vorbei in die Liebiggasse 9 zu gehen, und zu voten.
> 
> Wir wuerden uns freuen wenn noch weitere Junx/Maedls die das metalab bei
> der Wahl unterstuetzen wollen, oder die sich noch unsicher sind, und
> Fragen stellen wollen wie wir die Foerderung zu verwenden gedenken,
> vorbeischauen. Voten macht nur am Montag Sinn, da ja danach die Stimmen
> anfangen zu verfallen.
> 
> Personen die das Geld ausschließlich für Projekte und Infrastruktur im
> Metalab benutzen wollen, haben sich jetzt übrigens zwei gefunden.
> Tina Lorenz und ich.
> 
> Wenn ihr einen Teil eurer Punkte dem metalab zugute kommen lassen wollt,
> dann teilt diese Punkte am besten zwischen mir und Tina auf. Aber nicht
> verrechnen (Gesamtbetrag muß stimmen), sonst verfällt die Stimme.
> 
> Gruss
> Paul
> 
> * oder Fuehrerschein/Personalausweis.
> 
> _______________________________________________
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> Metalab at lists.metalab.at
> http://lists.metalab.at/mailman/listinfo/metalab

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